Der 27-jährige Trampolinturner Henrik Stehlik aus Salzgitter avancierte nach seinem Weltmeistertitel 2003 zu einem Hoffnungsträger des Deutschen Turner-Bundes. Ein Jahr später unterstrich er seine Leistung und holte die Bronzemedaille bei Olympia 2004 in Athen. Jetzt läuft für ihn die heiße Phase der Vorbereitung zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking.
Henrik, wie bist Du zum Trampolinturnen gekommen?
Im Alter von siebeneinhalb Jahren habe ich meine ersten Sprünge auf dem Trampolin geübt und bin dann zur TG Jugenddorf Salzgitter gekommen. Salzgitter ist die Trampolinhochburg in Deutschland, der Sport hat hier einen sehr hohen Bekanntheitsgrad. 1988 entdeckte damals meine Trainerin Ute Luxon-Pitmakin mein Talent und seither arbeite ich jetzt schon mit ihr eng zusammen. Im Laufe meiner bisherigen Kariere pendelte ich zwischen meinem Studentenleben und den Trainingseinheiten im heimischen Salzgitter. Dieses Gleichgewicht, zwischen Universität und Sport, brauche ich einfach. Nur wenn ich mit beidem meinen Tag füllen kann, bin ich rundum zufrieden. 1991 habe ich meinen ersten Jugend-Länderkampf geturnt und war dann seit 1992 im Bundeskader.
Was fasziniert Dich an der Sportart?
Zum Einen das primär Sportliche und einfach die Freude an der Bewegung – ich fand den Sport mit seiner großen Eigendynamik, der Eleganz und der wahnsinnigen Sprunghöhe schon immer sehr beeindruckend. Es ist die Faszination sich in der Luft zu bewegen – das vermittelt einem ein unglaublich schönes Gefühl, fast als würde man fliegen. Zum Anderen kommt hinzu, dass man im Verein und über die ganze Welt verstreut sehr viele Menschen kennen lernt.
Was ist beim Trampolinturnen das Wichtigste?
Die Technik ist sehr wichtig – eine zusätzliche Vorraussetzung ist das koordinative Geschick bei dieser Sportart. Wir machen viel Krafttraining, trainieren konditionelle Grundlagen und benötigen einen guten Muskelapparat, um die Belastungen bei den Sprüngen abzufedern.
Die letzten Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele 2008 verlaufen bereits – wie häufig und mit welcher Intensität trainierst Du vor einem großen Wettkampf?
Im Moment liegt der Schwerpunkt weniger bei meinem Studium, sondern eher auf der gezielten Vorbereitung zu den Olympischen Spielen in Peking. Wir befinden uns bereits in der heißen Trainingsphase mit bis zu 25 Trainings-Wochenstunden, in der wir wettkampfspezifisch an unseren Fehlern arbeiten und an unsere Grenzen kommen.
Wie sieht die Verletzungsgefahr dabei aus?
Das ist ein Thema bei uns, welches wir sehr ernst nehmen und mit dem wir sehr sensibel umgehen. Wir halten uns körperlich fit, passen im Training darauf auf und haben ein klares Ziel: Das Wettkampfprogramm darf nicht gefährdet werden.
Wie hast Du Land und Leute bei Deinen bisherigen Besuchen in Peking erlebt?
Ich war bereits zweimal in China: Bei einem Trainingslager 2006 mit der chinesischen Nationalmannschaft und bei den vorolympischen Testwettkämpfen 2007 durfte ich die Gastfreundschaft der Chinesen und die guten Trainings- und Wettkampfbedingungen genießen. Das hat mein Interesse für dieses Land geweckt.
Was sagst Du zur Peking-Diskussion? Ist der eigentliche Sport mit solch einer Debatte überfordert?
Ich finde es richtig, dass die deutsche Olympiamannschaft an den Spielen 2008 teilnehmen will. Ich konzentriere mich im Moment sehr auf mein Training – aber man bekommt zwangsläufig viel von den Diskussionen mit. Wenn Menschenrechte nicht eingehalten werden, stellt sich für mich die Kernfrage, wie wir uns solchen Staaten gegenüber verhalten sollen. Der gesamte Fragenkomplex und die Kritikpunkte reichen weit über die eigentlichen Olympischen Spiele hinaus. Darum ist es sehr wichtig, dass sich an diesen Problemen und in der Diskussion alle Beteiligten einbringen. Der organisierte Sport und die olympische Bewegung müssen sich letztendlich die Frage stellen, in wiefern und in welcher Form dieser Wettbewerb stattfinden kann – mit gleicher Dringlichkeit eben auch Politik und Wirtschaft. Für mich gehören politische Diskussionen dazu: Doping und auch die Kommerzialisierung sind wichtige Themen, die immer wieder erwähnt werden, und jetzt geht es vorrangig um die Menschenrechtsfrage. Olympia gibt immer bedeutende Impulse für Debatten dieser Art.
Andere teilnehmende Athleten planen Aktionen, um gegen die derzeitige Situation in Tibet zu demonstrieren – kann man von der deutschen Mannschaft auch Protestaktionen erwarten?
Die deutsche Olympiamannschaft sollte zunächst intern diskutieren und abwarten, wie sich die Situation entwickelt. Olympia ist schon immer politisch gewesen – der Frieden und die Völkerverständigung sind zentrale Werte, die dort gelebt werden. Die sportlichen Wettkämpfe verlaufen friedlich und fair, im Olympischen Dorf wohnen die Athleten Tür an Tür, welche sonst in ihren Staaten extrem voneinander getrennt sind. An dieser Stelle verbindet der Sport Menschen, was mich besonders in Athen 2004 sehr beeindruckt hat. Meine Priorität ist ganz klar, dass ich die Völkerverständigung im Sport leben möchte und olympische Ideale, wenn nötig auch kritisch, vertrete. Die Beteiligung an einer politischen Äußerung zu Menschenrechten ist legitim – es ist aber auch legitim dies nicht zu tun. Das muss jeder Athlet für sich selbst entscheiden.
Was hast Du Dir für die Olympischen Spiele 2008 vorgenommen?
Ich habe mich damals riesig über meine Bronzemedaille 2004 in Athen gefreut und auch über den großartigen Empfang in meiner Heimat. Das gibt mir sehr viel Kraft und Motivation für die Vorbereitung und für den Wettkampf. Seit 2000 sind wir im Olympischen Programm und seit dem hat sich die sportliche Weltspitze sehr verbreitert – besonders die Kollegen aus China und Japan haben enorm aufgeholt und sich extrem verbessert. Das hilft uns bei der Entwicklung, bedeutet jedoch auch gleichzeitig, dass der Kampf um die Medaillen viel härter wird. Somit wäre die Verteidigung dieser Bronzemedaille ein großer Erfolg für mich.
Welche sportlichen Ziele hast Du Dir sonst noch für die Zukunft gesetzt?
Im September bestreite ich noch das Weltcup-Finale in Russland. Neben dem ist es für mich sehr wichtig bei meinem Heimatverein TGJ Salzgitter mitzuwirken – das beziehe ich vorher in der Saisonplanung mit ein. Am Ende des Jahres kämpfe ich somit noch an der Seite meiner Mannschaftskollegen in der Bundesliga um die Titelverteidigung. Anschließend wird für mich ein hoffentlich erfolgreiches Sportjahr zu Ende gehen.
Wie sieht es mit der Beliebtheit des Trampolinsports aus? Steigt durch deine Erfolge die Popularität?
Die Olympischen Spiele bieten für alle Sportarten, die nicht so sehr im Focus stehen, eine tolle Chance sich zu präsentieren und für sich zu werben. Für uns ist es sehr wichtig, dass wir auch diesmal wieder gut abschneiden werden, sodass wir häufiger in den Medien genannt und gezeigt werden. Die Popularität steigt stetig seit dem wir im Olympischen Programm sind. Trampolinturnen ist eine Sportart, die mit der Dynamik und der Eleganz sehr vielseitig ist, und durchaus das Interesse der Zuschauer auf sich ziehen kann.
Welche waren die persönlichen Highlights deiner bisherigen Karriere?
Wenn ich in meiner in meiner Zeit als Sportler zurückblicke, sind natürlich der Weltmeistertitel 2003 in Hannover und die Bronzemedaille in Athen 2004 meine größten Erfolge bisher gewesen. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von kleineren Veranstaltungen und Wettkämpfen an die ich mich sehr gerne zurückerinnere und die mir auch den Grund dafür liefern mit dem Trampolinturnen noch eine lange Zeit weiter zu machen.
Interview aus www.subway.de von Benjamin Brinkmann