Porträt

Nachfolgender Artikel stammt aus der Frankfurter Rundschau vom 26.03.2007- geschrieben von KATJA STURM

Angst? Nein, Angst kennt Vladimir Cojoc nicht, wenn er sich in die Luft schraubt. "Mit Angst kann man auf dem Trampolin nichts anfangen", sagt der 30-Jährige, "dann hat man schon verloren." Dabei ist der Turner der Frankfurt Flyers oft unsanft gelandet. In Moldawien etwa schlug er einmal aus mehreren Metern Höhe statt auf dem Sprungtuch auf dem harten Boden neben dem Gerät auf. Seine Trainerin Tatjana Erkin, die ihn nach mehrjähriger Zusammenarbeit in der gemeinsamen Heimat einst nach
Deutschland nachholte und mit der er heute gemeinsam als Landestrainer die hessischen Talente betreut, befürchtete das Schlimmste. Doch Cojoc stand wieder auf.

Oder bei der Olympischen Ballnacht im Oktober in Wiesbaden. Da blendeten ihn während eines Showauftritts Blitzlichter aus Fotokameras, und er sah nur noch schwarz. "Normalerweise kann ich damit umgehen", sagt Cojoc, doch damals ging der nächste Absprung schief, "ich bin ins Leere getreten". Er stürzte erst aufs, dann neben das Gerät. Der komplizierte Schlüsselbeinbruch, den er sich dabei zuzog, setzte ihn zwei Monate lang außer Gefecht und kostete sein Team in der Bundesliga die Chance auf
eine erfolgreiche Titelverteidigung.

Hessischer Titel gesichert

Mittlerweile kämpft sich der Frankfurter wieder an seine einstige Leistungsstärke heran. Vergangene Woche turnte er im Training erstmals wieder einen Schwierigkeitswert von 15,6, der ihm vor seinem Unfall zum Aufwärmen diente. Bei der hessischen Meisterschaft am Wochenende in Mörfelden reichten ihm viel einfachere Übungen, um nach dem Titel vor zwei Wochen am Doppelminitrampolin nun auch den auf dem Großgerät zu gewinnen. Allerdings mangelte es an starker Konkurrenz: Seine
Vereinskollegen Markus und Michael Kubicka verzichteten wegen ihres gemeinsamen 30. Geburtstags auf einen Start in Mörfelden, und der Schaafheimer Michael Serth hatte sich bei den Doppelmini-Titelkämpfen eine schwere Knieverletzung zugezogen, die wohl seinen Traum von einem WM-Start in diesem Jahr in Kanada platzen lassen wird.

Auch Cojoc will im November in Quebec dabei sein, die Qualifikation stellt kein Problem dar. Denn in Moldawien gibt es keinen weiteren Höhenflieger seiner Leistungsklasse; zudem hat der einstige EM-Dritte auf dem Doppelminitrampolin bereits bei seinem ersten Sieg in diesem Jahr, beim Niederrhein-Cup Ende Februar in Kempen, einen von zwei nötigen Nachweisen erbracht. Doch eine solch weite Reise muss finanziert werden, und vom Verband darf Cojoc da nichts erwarten. Im Gegenteil: Als er 2004 per Wildcard bei den Olympischen Spielen in Athen hätte starten können, verpasste man im ehemaligen Sowjetstaat, den entsprechenden Antrag zu stellen.

Cojoc will die nächste Chance nutzen und in Peking 2008 seine Heimat in einer Sportart vertreten, zu der er selbst spät fand. Der ehemalige Kunstturner wechselte erst aufs Sprungtuch, als sich im Zuge der Perestroika die eigene Riege aufgelöst hatte. Ganz zur Freude von Tatjana Erkin, die in der gleichen Halle trainierte und Cojoc schon als Kind in ihre Gruppe locken wollte. Heute ist sie, die einst zum ersten Trampolinteam Moldawiens überhaupt gehörte, froh, einen Athleten wie Cojoc betreuen zu dürfen. Einen Athleten, der, wie er selbst sagt, "gut wegstecken kann" und immer wieder aufsteht.

Mirko Bott