Mannschaftsmeister

Artikel aus der Frankfurter Neuen Presse vom 02.06.2006

von Michael Löffler

Frankfurt. Nun ist die Goldsammlung der Kubickas komplett. Nach Martin und Markus Kubicka hat jetzt auch der dritte aus dem Trio der Trampolin springenden Brüder sein Gold in der Tasche. Im französischen Metz holte sich der 28-Jährige Michael gemeinsam mit Henrik Stehlik, Dennis Luxon (beide Salzgitter) und Adam Götz (Stuttgart) den EM-Mannschaftstitel. Und im Einzel wäre eigentlich das zweite Edelmetall fällig gewesen. Eine zweifelhafte Jury-Entscheidung bescherte die Bronzemedaille aber dem Franzosen David Martin und Michael Kubicka blieb nach einer sehr starken Kür der gute, aber bekanntlich undankbare vierte Platz. „Ich bin überglücklich und überhaupt nicht unzufrieden. Man braucht sich nur die lange Liste der Weltklasse-Athleten anzusehen, die ich hinter mir gelassen habe“, wertete Michael Kubicka selbst sein Abschneiden
Der Zeitsoldat aus der Sportler-Dynastie – nicht nur seine Brüder waren beziehungsweise sind Weltklasse-Turner, Mutter Jana war Kunstturn-Mannschaftsweltmeisterin 1966, Vater Václav Mannschafts-Dritter bei der Kunstturn-WM 1962, beide später Bundestrainer – hatte mit einer Teilnahme gar nicht gerechnet. Beim Bundesliga-Finale 2003 brach sich der Turner der Frankfurt Flyers nach einem Sturz das Wadenbein , die Fortsetzung seiner Karriere war ernsthaft in Gefahr. Erst eine Operation im April 2005, bei der Narbengewebe entfernt wurde, ermöglichte ihm wieder schmerzfreie Höhenflüge.

Dass der Mannschafts-Vizeweltmeister von 2001 vier Jahre nach seiner letzten EM-Teilnahme gleich wieder in die Nationalmannschaft zurückkehren würde, kam dennoch überraschend. Zwar zeigte Michael Kubicka in den Qualifikationswettkämpfen eine stark aufsteigende Tendenz, die ihm im letzten Moment den fünften Platz, den des Ersatzmannes, bescherte. Dass er dann in Metz doch auf die Sprungmatte durfte, verdankte er ausgerechnet den Bandscheibenproblemen seines fest nominierten Zwillingsbruders Markus. „So wollte ich nie ins Team kommen“, betont Michael.

Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Des einen Bruders Leid war des anderen Freud’. Michael Kubicka vertrat seinen bis dahin stets erfolgreicheren Bruder hervorragend. Im Mannschafts-Vorkampf erzielte er die beste Leistung nach Henrik Stehlik. Im Finale, wo nur drei der vier Turner pro Nation antreten dürfen, ließ Bundestrainer Michael Kuhn Dennis Luxon aus Salzgitter turnen. „Sicher wäre ich gern dabei gewesen, aber es war schon die richtige Entscheidung“, sagte Michael Kubicka, „wir wollten nicht riskieren, dass ich eventuell im Mannschafts-Finale abbreche und dadurch im Einzel in ein mentales Tief falle.“

Die Goldmedaille bekam der Frankfurter dennoch umgehängt. Und das völlig zu Recht, wie er dann im Einzel-Wettbewerb eindruckvoll untermauerte . Als Fünftbester qualifizierte er sich für das Finale. Dort gelang es ihm als einzigem der acht Teilnehmer, seine Übung komplett auf den Punkt im mittleren Kasten zu springen. „Es war eine überragende Kür. So stark habe ich Michael noch nie gesehen. Die Haltungsnoten hätten sogar höher sein müssen“, meinte sein Vereinsvorsitzender, der frühere Bundestrainer Heinz-Peter Michels.

Dennoch hätte es auch so zum dritten Platz hinter den Russen Alexander Rusakov und German Khnyshev reichen müssen. Der drittplatzierte Franzose David Martin wiederholte nämlich einen Sprung, der laut Reglement zum zweiten Mal nicht hätte gewertet werden dürfen. In der Halle herrschte Unstimmigkeit über die Wertung des Franzosen, die Jury sah sich die Aufzeichnung der Übung mehrmals an. Und dann entschied die Oberkampfrichterin Rui Vinagre aus Frankreich in letzter Instanz, dass es sich nicht um eine Wiederholung gehandelt habe, folglich gab es keine Abzüge. „Absolut falsch“, schimpfte der Schaafheimer Michael Serth, der währenddessen ebenso wie alle anderen Deutschen verzweifelt nach einem einwandfreien Beweis gesucht hatte, der den Fehler des Franzosen offenbaren würde. Sie wurden zwar fündig, aber wenige Minuten zu spät. Denn das Reglement lässt einen Protest und Berichtigung nur bis zur Siegerehrung zu. Das Privat-Video, auf dem alle Aktiven, die es ansahen, den Sprung eindeutig als Wiederholung des bereits vorher gezeigten identifizierten, wurde erst unmittelbar nach der Zeremonie aufgetrieben. „Ich habe es auch als Wiederholung des Sprunges gesehen. Was soll’s. David hatte eben den Heimvorteil. Meine Übung war auch so besser als die seine. Während mir jeder Sprung gelang, hat er nach fünf perfekten Sprüngen an Höhe verloren und wanderte auch auf der Matte umher.“

Ein anderer Final-Aspirant von den Frankfurt Flyers war nicht einmal am Start. Vladimir Cojoc musste zähneknirschend daheim in Frankfurt bleiben, weil es sein moldawischer Verband versäumt hatte, fristgerecht die Anmeldung für die EM abzuschicken.

Dennoch gab es im Lager der Flyers noch einen Grund zur Freude. Im Junioren-Wettbewerb belegte Ivano Morano den zehnten Rang. Der 16-Jährige, der erst vor vier Jahren mit dem Trampolinturnen begann, zeigte in Metz alle Schwierigkeiten, die er abrufen kann und verfehlte das Finale nur um 0,3 Punkte. Europameister wurde der Russe Michail Melnik, Monaco war bester Turner der vier angetretenen Deutschen.

Mirko Bott