Von Thomas Saalfeld
SALZGITTER. Der Trampolinturner zählt zum kleinen Kreis der nur 14 deutschen Einzel-Weltmeister des Jahres 2003. Henrik Stehlik von der TG Jugenddorf wurde zwar zu Salzgitters Sportler des Jahres gewählt, ist aber ein Topathlet mit eher geringem Bekanntheitsgrad.
Der Kreis der Stehlik-(Er)kenner dürfte indes wachsen. Zwei Fernsehsender beobachteten in dieser Woche den Trampolinturner beim Pendeln zwischen Universitäts-Bibliothek und Sporthalle. Nachdem das Trampolinturnen bei den Spielen von Sydney 2000 erstmals auf dem Olympischen Wettkampfprogramm stand, nahm die Sportart einen rasanten Aufschwung. Die Zahl der Nationen wuchs, Trainingsbedingungen verbesserten sich und die Intensität stieg deutlich.
Das Gros der Weltelite lebt ausschließlich für und vom Trampolinturnen. Eine Ausnahme im Kreis der Spitzenturner ist Henrik Stehlik. Der 23 Jahre alte Student der Politik- und Literaturwissenschaften hat sein Trainingspensum allerdings auch erhöht und wird sich vom 26. bis 30. Juli unter der Regie des Bundestrainers Michael Kuhn im Trampolin-Leistungszentrum am Lebenstedter Schlehenweg den Feinschliff für Athen holen. Mit dabei sein wird Anna Dogonadze (Bad Kreuznach), die einzige deutsche Trampolinturnerin und Medaillen-Aspirantin.
Stehlik hatte bei den Weltmeisterschaften 2003 in Hannover seine Sternstunde. Sowohl im Einzel als auch mit der deutschen Mannschaft holte er Gold. Lediglich im Synchron-Wettbewerb hatte er mit dem Frankfurter Markus Kubicka überraschend das Finale der besten acht Paare verpasst. Weil Kubicka zudem das Einzelfinale als 15. verfehlt hatte, gab es nur einen Qualifikationsplatz für die deutschen Trampolinturner. Den sicherte Stehlik sich erst durch seinen Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin endgültig. Dank des sechsten Rangs bei der EM in Sofia entschied Stehlik den Qualifikations-Zweikampf gegen Kubicka mit 30:15 Punkten letztlich klar zu seinen Gunsten.
Für den Trampolinturn-Wettbewerb in Athen haben sich nur 16 Starter für den Vorkampf qualifiziert. Nach je einer Pflichtübung und einem Kürdurchgang mit zehn Sprüngen erreichen die besten Acht das Finale, in dem alle wieder bei Null beginnen. Die beiden Russen Alexander Rusakov und Alexander Moskalenko, Jury Nikitin aus der Ukraine, die Weißrussen Nikolai Kasak und Dimitrij Poliarush, der Franzose David Martin sowie Stehlik diese Favoritenliste ist lang und trotzdem noch unvollständig. Vor allem Japaner und Chinesen, im Vorfeld der Spiele von Peking 2008, haben sich enorm gesteigert.
Der in Fachkreisen als "Mister Zuverlässig" bekannte Henrik Stehlik muss nur selten eine seiner mit verwirrenden Schrauben- und Saltikombinationen gespickten Küren abbrechen. Stehlik: "Ich wirke sicher ruhiger als ich bin, doch Wettkampfdruck baut mich eher noch auf. Das empfinde ich als positive Energie."
Der vom früheren Salzgitteraner Nationalriegenturner Ralf Widra in der Nachbarschaft entdeckte Meisterturner, der bisher 28 deutsche Meistertitel sammelte, freut sich auf seine erste Olympiateilnahme, die ihn an die Wurzeln der Bewegung zurückführt. Die Sätze: "Der Wettkampf ist ein unechter Konflikt. Den in Athen auszutragen, hat für mich Symbolkraft", mögen aus manchem Sportlermund auswendig gelernt und wenig überzeugend wirken. Der Athletensprecher des Deutschen Turner-Bundes verkörpert indessen den Typ eines Querdenkers, der seine Meinung nicht an der Turnhallen-Garderobe abgibt. Stehlik versichert: "Ich will drei gute Übungen turnen, wenn eine Medaille dabei herausspringt, wäre dies toll." Wie immer sind seine Eltern Janka und Jürgen beim Wettkampf dabei und drücken diesmal mit Cousin Peter sowie einer Handvoll Salzgitteraner Schlachtenbummler die Daumen.
Quelle: Braunschweiger Zeitungsverlag