Auf dem Weg zurück

Artikel aus der Lausitzer Rundschau von Beate Wockenfuß

Ein Doppel-Salto mit drei Schrauben sollte es werden Anfang Dezember bei der Gymmotion-Gala 2005 des Deutschen Turner-Bundes (DTB) in Düsseldorf. «Zwei Schrauben sind es nur geworden» , erinnert sich Trampolin-Turner Nico Gärtner vom SC Cottbus an den schmerzhaften Tag. Statt auf der weichen Matte landete der Sportler auf dem harten Hallenboden und brach sich die Kniescheibe des rechten Beines mehrfach. Jetzt versucht er, wieder auf die Beine zu kommen.

Fast zwei Monate nach dem Unglück schwingt sich Nico Gärtner auf zwei Krücken durch die Turnhallen im Cottbuser Sportzentrum. Ein kleines Mädchen aus dem Nachwuchs eilt hilfsbereit vorneweg, um dem 24-Jährigen die Tür aufzuhalten – die Tür zu der Halle, in der gerade das Bundesliga-Team des SC Cottbus (SCC) trainiert. Mit großem Hallo wird Gärtner von den Kollegen begrüßt. Ein Empfang, der ihm sichtlich gut tut. Jeden Tag ist er seit kurzem wieder im Sportzentrum, quält sich, um gesund zu werden, um in seinen Sport zurückzukehren, den er nun schon seit fast 20 Jahren mit großem Ehrgeiz ausübt.
Trotz der schlimmen Verletzung hat er die Hoffnung darauf nicht aufgegeben. Auch, wenn die Fortschritte nur kleine sind, aber wichtige. Einen Monat lang war Nico Gärtner überhaupt nicht fähig, sich alleine zu bewegen, saß im Rollstuhl. Den konnte er Anfang Januar in die Ecke stellen. Die tägliche Dosis Morphium zur Bekämpfung der Schmerzen ist seit vier Wochen ebenfalls Geschichte. Stattdessen ist Bewegung angesagt. Die Physiotherapie hilft, das mit einer dicken Manschette im 15-Grad-Winkel stabilisierte Knie, wiederaufzubauen. Demnächst soll auch die Reha beginnen. «Es geht vorwärts» , konstatiert der 24-Jährige mit einem zaghaften Lächeln, das Optimismus zeigen soll.

Schwer bis unmöglich

Schließlich haben die Ärzte in der Düsseldorfer Uniklinik mit ihrer komplizierten, mehrstündigen Operation alles für ein sportliches Comeback getan. «Die Cottbuser Ärzte haben die OP als Meisterstück bezeichnet» , berichtet Gärtner, «und damit ist der Grundstein gelegt.» Obwohl die Mediziner eine sportliche Zukunft für «schwer bis unmöglich» halten, lässt sich der 24-Jährige nicht entmutigen: «Wenn die Reha gut verläuft, wird es schon irgendwann wieder mit dem Turnen gehen.» Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 in Peking hat er jedenfalls noch nicht abgeschrieben. Aber zunächst steckt er sich nur kleine Ziele: «In zwei Wochen will ich das Bein von alleine im Sitzen hochheben können.» Daran arbeitet er wild entschlossen und wird später auch einen Psychologen zu Rate ziehen, um über die Psyche zum gesunden Bein zu kommen: «Das macht viel aus.»
Die Zeit direkt nach dem Unfall verbrachte er bei seinen Eltern in Schwedt, die ihn tatkräftig unterstützten. Genauso wie seine Freundin Janine, die passenderweise derzeit den Beruf der Krankenschwester erlernt. Auch seine Freunde und sein Ausbilder Vattenfall kümmern sich intensiv um Nico Gärtner, der nun auf unbestimmte Zeit auf seinen Sport und die Lehre verzichten muss. «Momentan liegt einfach alles brach» , sagt er traurig. Umso wichtiger ist daher die Unterstützung des Umfeldes. Seit er wieder in seiner Cottbuser Wohnung lebt, steht ihm sein Trainer Uwe Marquardt so oft wie möglich zur Seite. «Er ist jede freie Minute bei mir» , freut sich Gärtner, «er kauft für mich ein, bringt mich von A nach B.» Auch der SCC und die Betreuer vom Olympiastützpunkt umsorgen ihren WM-Dritten 2005. Der gibt zurück, was er kann, arbeitet aushilfsweise als Trainer, gibt dem Nachwuchs Tipps. Doch an den Wochenenden ist Tapetenwechsel angesagt. Dann lässt sich Nico Gärtner entweder von seinen Kumpels ablenken oder er begibt sich in der Schwedter Heimat in die Hände seiner persönlichen Krankenschwester – Teamwork auf dem schmerzhaften Weg zurück.
Mirko Bott